Begleittext zur Ausstellung Nach dem Spiel ist vor dem Spiel im Helmhaus Zürich
17. November 2012 bis 27. Januar 2013


Daniel Morgenthaler

Auch ein Haus ist druckfähig. Oder zumindest Teile davon. Das hat Josef Felix Müller schon in den 80er Jahren bewiesen: Der St. Galler Künstler traktierte damals den Holzboden seines Ateliers mit der Motorsäge und zog danach die Motive in Holzdrucktechnik ab. Gabi Deutsch scheint diese Tradition nun weiterzuführen: Auch für die grossformatigen Stoffe an der Wand des Hauptsaals im Helmhaus könnte der Boden eines bestehenden Raums als überdimensionierter Druckstock verwendet worden sein. 

Das stimmt auch, und doch nicht ganz: Im Gegensatz zu Müller druckt die Zürcher Künstlerin nicht einfach ihren bestehenden Atelierboden ab – und portraitiert damit unverrückbare Architektur. Sie baut vielmehr aus alten Parkettversatzstücken auf dem Boden ihres Studios eine Druckvorlage – mal in Fischgratoptik, mal in anderen Parkettorganisationsformen –, färbt die einzelnen Elemente ein und presst dann den Stoff darauf.

Hier wird also nicht etwa die Patina eines Altbaus aufgesogen – obwohl die Holzstruktur der einzelnen Elemente deutlich zu erkennen ist. Was so definitiv aussieht, wird immer wieder neu zusammengesetzt – und auseinandergenommen. Gabi Deutsch spielt das, was eine Parkettlegerin oder ein Parkettleger jeden Tag in einer anderen Wohnung macht, für eine Zeit lang jeden Tag im selben Raum durch. Nicht, weil sie die perfekte Lösung dieses monumentalen Parkett-Puzzles sucht und mit den Drucken ihre Schritte dorthin dokumentiert. Sondern, weil das Spiel mit den Materialien – den Holzbahnen, der Farbe, den unterschiedlichen Textilien – immer wieder andere, unvorhersehbare und nicht bis ins Detail kontrollierbare Resultate zeigt. Auch der körperliche Kraftakt, der der Druck für die Künstlerin bedeutet, manifestiert sich nicht immer gleich: Die einen Stoffe wirken selbst fast architektonisch, andere eher wie Skizzen auf flüchtig berührten Fetzen. Die Vielfalt dieser Ergebnisse wird im Helmhaus zusätzlich akzentuiert, indem verschiedene Tücher übereinander hängen. 

Trotz aller Unterschiedlichkeit haben aber alle Stoffarbeiten Gabi Deutschs etwas gemeinsam: Indem sie einen Boden zitieren, aber an der Wand ausgestellt sind, behandeln sie auch die Ausrichtung der Körper ihrer Betrachterinnen und Betrachter. Wenn, wie in den letzten Jahren zu beobachten war, die Malerei zunehmend von der Wand auf den Boden ausgreift; und wenn – wie im Helmhaus – Boden und Wand ohnehin fast ununterscheidbar sind: Wonach soll sich dann das Publikum noch orientieren?

Um Gleichgewicht und Kraftakte geht es auch in der von Gabi Deutsch und dem Zürcher Grafikbüro Hammer gestalteten Ausstellungsgrafik. Auf dem Plakat etwa manifestiert sich die Anstrengung eines Ringers an dessen aufgerissenen Augen. Die Verkeilung der beiden Kämpfer wird noch zusätzlich durch Falze in der historischen Fotografie dramatisiert. Im Gegensatz zur Collage, bei der zusammengeschnitten wird, bleiben diese Arbeiten aber so dynamisch wie ein Wettkampf: Sie können potenziell jederzeit entfaltet und wieder neu ineinander verkeilt werden. Wie Gabi Deutschs hölzerne Druckklischees, die bauliche Ewigkeit suggerieren, aber gleich wieder rückgebaut werden. Sobald der Stoff Zeuge davon wurde. (dm)